
Original erschienen bei Refinery29 Germany.
Grafik von Ly Ngo
Es gibt viele Mythen und Tabus rund um die Themen Kinderkriegen und -haben; Stillen gehört dazu. Zumeist entweder romantisiert oder angeheizt durch Horrorgeschichten über entzündete Brustwarzen, Ausbleiben der Milch, gesellschaftliche Ausgrenzung oder Verlust der eigenen Unabhängigkeit, beschränkt sich die Debatte wie so oft faktisch auf Schwarz oder Weiß. Dazwischen gibt es kaum etwas, vor allem das Attribut „normal“ scheint in dem Zusammenhang noch in weiter Ferne.
Dennoch ist man sich in einer Sache mittlerweile einig: Muttermilch ist laut Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte unangefochten das beste fürs Baby. Neben den gesundheitlichen Vorteilen ist auch die psychische Komponente nicht außer Acht zu lassen, denn Stillen fördert nachweislich die Mutter-Kind-Beziehung. Ob, wie, wo und vor allem wie lange ein Baby gestillt wird, muss jede Mutter selbst entscheiden, insofern nicht aus medizinischen Gründen etwas gegen das eine oder das andere spricht.
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Warum aber werden Frauen trotzdem noch immer schief angeschaut, wenn sie in der Öffentlichkeit ihre Busen auspacken, um ihr Baby zu stillen?
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Jetzt ist es aber nun mal so, dass es gerade gegenüber jungen Müttern gerne gut gemeinte Ratschläge hagelt – natürlich völlig unabhängig davon, ob diese auf eigenen Erfahrungen basieren oder lediglich angelesen sind. Das Internet strotzt ohnehin nur so vor Foren, die bis unter die Taskleiste vollgepackt sind mit Tipps und Tricks. Eigentlich sollten wir ja also wirklich Bescheid wissen, oder? Warum aber werden Frauen trotzdem noch immer schief angeschaut, wenn sie in der Öffentlichkeit ihre Busen auspacken, um ihr Baby zu stillen?
Ich selbst bin seit vier Monaten Mama und stille voll. Bis auf die obligatorischen ersten Anlaufschwierigkeiten hatte ich keinerlei Probleme damit – im Gegenteil, ich genieße es in vollen Zügen. Dass das nicht selbstverständlich ist, weiß ich. In meinem Umfeld haben sich viele Frauen nämlich ganz bewusst gegen das Stillen entschieden – aus unterschiedlichen Gründen. Und doch höre ich oft denselben: weil sie sich unangenehme Blicke in der Öffentlichkeit ersparen möchten. Bei der Aussage versetzt es mir regelmäßig einen Schlag in die Magengegend. Wie bitte? Mir ist bewusst, dass ich offenbar mit einem sehr gesunden Frauenbild aufgewachsen bin und deswegen noch nicht einen Gedanken daran verschwendet habe, wie es den anderen gehen könnte, wenn ich in der Öffentlichkeit blank ziehe.
Lediglich die Wahl eines stillfreundlichen Outfits beschäftigt mich jeden Tag aufs Neue. Sicher, das Stillen in der Öffentlichkeit ist natürlich nicht immer einfach, insbesondere weil mein Sohn ein echter Busenakrobat ist und damit natürlich nur noch mehr Aufmerksamkeit auf mein Dekolleté zieht. Mir macht das nichts, aber was ist mit meinen Mitmenschen?